Wie können wir die Luftfahrt fit für die Zukunft machen? Das interdisziplinäre Team am Bauhaus Luftfahrt führt in regelmäßigen Abständen interne Gruppendesignprojekte zu dieser Frage durch. Im Jahr 2019 hat sich das Team im letzten Gruppendesignprojekt Hy-ShAir mit operationellen und technischen Innovationen auf dem Langstreckenmarkt befasst, die zur Emissionsreduktion in diesem Sektor beitragen können. Ein ganzheitlicher Ansatz und Umdenken sind notwendig, um den ökologischen Fußabdruck zu verringern, Flugzeuge besser zu nutzen und ein angenehmeres Reiseerlebnis für Passagiere zu ermöglichen. Dieses hat zu folgenden Forschungszielen im Rahmen des Projektes geführt:

  1. Steigerung der Effizienz des Langstreckenmarktes durch Veränderung der operativen Strukturen
  2. Nutzung alternativer Energiequellen, um die CO2-Emissionen deutlich zu reduzieren
  3. Analyse der jeweiligen Auswirkungen auf die Flugzeug- und Kabinenkonstruktion

Operationelle Emissionsreduzierung im Langstreckenverkehr

Der Beitrag der Luftfahrt zur Verringerung von Treibhausgasemissionen ist derzeit Gegenstand intensiver Diskussionen. Neben technischen Innovationen bieten eine verbesserte Nutzung vorhandener Transportkapazitäten sowie gesteigerte operationelle Effizienz die Möglichkeit, Emissionen auf Flottenebene zu reduzieren. Während nur ein Zehntel der Passagiere auf Strecken mit mehr als 3500 km reist, verantwortet dieses Segment 35 % bis 40 % des gesamten Flugkraftstoffverbrauchs. Der Anteil von Umsteigeverbindungen beträgt hier über 60 %, längere Reisezeiten für Passagiere und längere Flugdistanzen sind die Folge.

Im Rahmen des Gruppendesignprojektes hat sich ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlern am Bauhaus Luftfahrt mit dem Konzept einer offenen „Seat Exchange Platform“ befasst – „ShAirline“. Hierbei wird das klassische Airline-Flugzeug-Besitzverhältnis aufgelöst, einzelne Sitzplätze werden von Anbietern aus unterschiedlichen Branchen geleast und den Passagieren angeboten. Durch die Bündelung der Nachfrage zwischen zwei Flughäfen durch Transportanbieter werden überschüssige Kapazitäten vermieden und mehr Direktverbindungen ermöglicht. Diese reduzieren Abweichungen von der optimalen Strecke und verkürzen somit die zurückgelegte Distanz im Vergleich zu Umsteigeverbindungen. Wegfallende Zwischenlandungen können in geringere Reisegeschwindigkeiten übersetzt werden, ohne Auswirkung auf die Reisezeit des Passagiers. Die daraus resultierenden Veränderungen des Netzwerkes sowie von Geschäftsmodellen können signifikant zu einer Emissionsreduktion beitragen und sind Bestandteil zukünftiger Forschung am Bauhaus Luftfahrt.

Wasserstoff als Kraftstoff: Bereitstellung und Speicherung

Die Herstellung von Wasserstoff durch Elektrolyse zählt mittlerweile zu den kostengünstigsten Methoden, erneuerbare Energieträger zu gewinnen. Eine Analyse geeigneter Speicheroptionen für die Luftfahrt zeigt, dass für Langstreckenflugzeuge, wie sie im Rahmen von Hy-ShAir betrachtet werden, kryogene Tanksysteme für flüssigen Wasserstoff (LH2) am vielversprechendsten sind.

In einem zukünftigen Szenario mit erneuerbarem Wasserstoff im globalen Energiesystem dient die Power-to-Liquid-Synthese von Kerosin aus H2 und CO2 als Referenzfall. Die Produktion von LH2 kann deutlich effizienter und kostengünstiger sein, da kein CO2 benötigt wird, Prozessschritte entfallen und kaum Koppelprodukte entstehen. Diese Vorteile überwiegen die höheren Kosten und Verluste entlang einer repräsentativen LH2-Versorgungskette. Die energieintensive Verflüssigung zur Bereitstellung von LH2 sollte direkt am Standort der Wasserelektrolyse stattfinden, da dort erneuerbarer Strom kostengünstig zur Verfügung steht. Auf dem Seeweg erfolgt die Logistik über LH2-Tankschiffe, auf dem Landweg kommen Tankwagen zum Einsatz. Somit könnte LH2 an allen großen Flughäfen kostengünstig bereitgestellt werden.

Für die beste Speicheroption von Wasserstoff an Bord von Flugzeugen mit großer Reichweite ist die spezifische Energie von LH2 mit Kryotank entscheidend. Um das Gewicht und die aerodynamischen Nachteile aufgrund der erforderlichen großen Kryotanks zu minimieren, wurden verschiedene Tankoptionen, in Form und Einbauort, im Hyliner-Flugzeugentwurf untersucht, wobei aus Sicherheitsgründen mindestens zwei Tanks erforderlich sind. Die resultierende spezifische Energie einschließlich des Tanks ist um den Faktor 2,3 größer als im Fall von Kerosin. Dies verringert die Abflugmasse. Zudem überwiegen die ökologischen Vorteile des Gesamtsystems.

Wasserstoffbetriebenes Langstreckenflugzeug

Der Entwurf eines Langstreckenflugzeuges im Rahmen des Gruppendesignprojektes ist stark von den operationellen Veränderungen sowie der Wahl des Energieträgers beeinflusst. Eine Absenkung der Fluggeschwindigkeit auf Mach 0.7 ermöglicht eine deutliche Energieeinsparung, gleichzeitig soll die Produktivität durch eine Kapazität von 400 Passagieren auf vergleichbarem Niveau gehalten werden. Die Netzwerkstruktur wird so verändert, dass zeitgleich geplante Flüge zusammengelegt werden, wodurch die Auslastung verbessert wird. Der Ausbau der Direktverbindungen hilft, die Gesamtreisezeit der Passagiere trotzdem nicht steigen zu lassen. Für das resultierende Flugzeugkonzept Hyliner (2.0) wird Flüssigwasserstoff (LH2) als Energieträger gewählt, welcher in Gasturbinen verbrannt wird, aber in der Speicherung an Bord ein wesentlich größeres Volumen benötigt (bis zum Faktor 4). Da konventionelle Flügelintegraltanks weder das benötigte Speichervolumen besitzen noch die erweiterten Anforderungen an Wärmeisolierung und Druckfestigkeit erfüllen können, werden Rumpftanks verwendet. Ein LH2-Flugzeug kann aufgrund des geringeren Gewichtes trotz größerer Volumina energieäquivalent zu einem konventionellen Flugzeug selbigen Technologielevels entworfen werden. Im Rahmen des Projektes wird jedoch der Rumpfquerschnitt durch das zusätzliche Platzangebot für den Passagier sowie die Serviceoptionen im dritten, für Passagiere nutzbaren Deck so stark vergrößert, dass der Energieverbrauch um 9 % höher ist. Um diesen Energiemehraufwand zu minimieren, fokussiert sich die aktuelle Forschung am Bauhaus Luftfahrt auf die synergetischen Einsparpotenziale. Neben einem Rumpfpropulsor ermöglichen zusätzlich der tanklose Flügel und die niedrige Flugmachzahl die Nutzung neuer Technologien, z. B. eines laminaren oder aktiv zugeschnittenen Flügels sehr hoher Streckung.

Weiterführende Publikationen

Ganzheitlicher Ansatz zur Erzielung einer erheblichen Verringerung der Luftverkehrsemissionen

Ein Großteil der Passagiere auf der Langstrecke muss mindestens einmal umsteigen, um an das finale Ziel zu gelangen. Dies führt zu Abweichungen von der optimalen Route sowie Wartezeiten für die Passagiere am Boden.

Das „ShAirline“-Konzept fördert die Beteiligung Dritter an der Erbringung von Dienstleistungen für die Passagiere während des Fluges. Ein Unterdeck und größere Frachtcontainer können leicht ausgetauscht werden, um den Passagieren während des Fluges zusätzliche Angebote zu ermöglichen.

Vergleich verschiedener Speicheroptionen bezogen auf die Wasserstoffmenge und das Tanksystemgewicht

Die Produktion von LH2 ist deutlich effizienter und kostengünstiger als bei PtL-/StL-Kraftstoffen, da kein CO2 benötigt wird, Prozessschritte entfallen und wenig Koppelprodukte entstehen.

Parallel zum klassischen Kerosin muss die Infrastruktur an Flughäfen für die Logistik von flüssigem Wasserstoff angepasst werden.

Da Flüssigwasserstofftanks von einem hohen Volumen-Oberflächen-Verhältnis profitieren, verfügt das Hyliner-(2.0)-Flugzeug über Rumpftanks im Bug- und Heckbereich des Flugzeuges.

Der Einsatz von flüssigem Wasserstoff als alternative Energiequelle und die veränderten Flugzeugdimensionen werden Auswirkungen auf die Bodenabfertigungsprozesse am Flughafen haben.

Im Rahmen des Hy-ShAir-Konzeptes ermöglicht die Bündelung der Nachfrage zwischen zwei Destinationen mehr direkte Verbindungen, und wegfallende Zwischenlandungen können in geringere Reisegeschwindigkeiten übersetzt werden, was den Energieverbrauch pro Passagierkilometer reduziert.

Durch die vergrößerte Rumpfoberfläche eines Wasserstoffflugzeuges ergibt sich ein synergetisches Einsparpotenzial bei Anwendung eines Rumpfpropulsors.

Durch die Integration der Wasserstofftanks im Rumpfbereich wird der nutzbare Raum im dritten, unteren Deck vergrößert und ermöglicht die Verwendung von austauschbaren Containern. Diese können verschiedene Services enthalten, die den unterschiedlichen Bedürfnissen der Passagiere während eines Tag- oder Nachtfluges gerecht werden.

Abschätzung der Emissionen des LH2-Flugzeuges (cruise @Mach 0.7) im Vergleich zu einem fortschrittlichen konventionellen Referenzflugzeug (cruise @Mach 0.82)